Prokura kann von jedem kaufmännischen Unternehmen erteilt werden. In diesem Artikel geht es vor allem um den Unterschied zwischen den Rechten des Geschäftsführer einer GmbH und des Prokuristen einer GmbH.
1) Inhalt der Prokura
Der Prokurist hat mit ordnungsgemäß erteilter (Einzel)Prokura eine besondere Vollmacht an der Hand (handelsrechtliche Vertretungsmacht im Sinne des § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Er ist zu allen Arten gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen befugt, die der Betrieb (irgend)eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB). Die Erteilung einer Prokura ist also sehr weitreichend und sollte wohl überlegt sein.
Historisch gesehen hängt der überraschend weite Umfang der Prokura damit zusammen, dass die Kapitalgesellschaft (AG und GmbH) sich erst Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzten. Bis dahin gab es vor allem Einzelkaufleute. Wollte sich hier jemand darauf beschränken, das Kapital für das Unternehmen zur Verfügung zu stellen, aber nicht selbst im Geschäft stehen, brauchte er einen voll handlungsfähigen Vertreter. Hier kam der Prokurist ins Spiel.
Der Prokurist kann z. B. (ebenso wie der GmbH-Geschäftsführer)
- Arbeitsverträge im Namen der GmbH abschließen,
- anderen Angestellten Handlungsvollmacht erteilen (§ 54 HGB),
- Darlehen für die GmbH aufnehmen und einräumen,
- Schenkungen machen
- fremde Verbindlichkeiten übernehmen,
- in neue Branchen gehen,
- Zweigniederlassungen errichten und schließen,
- den Geschäftssitz verlegen,
- Rechte der Handelsgesellschaft gegenüber Gesellschaftern wahrnehmen,
- Unternehmen und Beteiligungen erwerben,
- Mitgliedschaftsrechte aus Beteiligungen (z. B. Stimmrecht, Auskunftsrecht nach § 131 AktG) ausüben
Der Prokurist ist hierbei nicht auf Geschäfte beschränkt, die für das Unternehmen branchentypisch sind.
2) Grenzen der Prokura
Beschränkungen der Prokura ergeben sich aus § 49 Abs. 2 HGB, wonach die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken untersagt wird; dies wiederum darf der Geschäftsführer. Daneben darf der Prokurist insbesondere sog. Prinzipalgeschäfte nicht vornehmen. Prinzipalgeschäfte sind diejenigen Handlungen, die dem Kaufmann („Prinzipal“) als Grundlagengeschäfte vorbehalten sind.
Nicht richtig klar definiert ist allerdings, wo hier die genaue Grenze verläuft. Ein Rechtsgelehrter schrieb in einem Handelsrechtslehrbuch 1879 noch, dass „die Prokura so weit reiche, dass sich ein Weinhändler nach Rückkehr von einer Reise als Bankier wiederfinden könne“. Inzwischen ist man aber der Auffassung, das das doch zu weit geht, und dass der Prokurist für so weitreichende Entscheidungen den Geschäftsherrn zu fragen hat. Das mag allerdings auch daran liegen, dass es 1879 eben weder Handy noch Telefax gab, so dass der reisende Prinzipal damals damals viel schwerer erreichbar war als heute.
Grundlagengeschäfte betreffen z. B. die Gründung, die Struktur und die Firma der Gesellschaft. Solche Entscheidungen sind für das Unternehmen von so entscheidender Bedeutung, dass sie dem Inhaber vorbehalten sein sollen.
Um hier klare Grenzen zu setzen, ist es sehr sinnvoll, nicht nur den Geschäftsführer, sondern auch den Prokuristen für wichtige Maßnahmen an die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung oder zumindest des Geschäftsführers zu binden.
3) Unterschiede zum Geschäftsführer
Nach dem Gesetz steht allein dem Geschäftsführer – sofern nur einer vorhanden ist – die umfassende Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis zu. Er ist somit gesetzlicher Vertreter und muss von den sonstigen bevollmächtigten Personen, den rechtsgeschäftlichen Vertretern, unterschieden werden. Zu diesen zählt der Prokurist.
Bedenke: Der Prokurist steht in der Firmen-Hierarchie weit oben, ebenso beim Haftungsrisiko. Doch ist er gemäß seiner Stellung kein Kontrollorgan der Gesellschaft, der nach seiner Aufgabenverteilung innerhalb der GmbH die Funktion hätte, die Entscheidungen der Gesellschafter und der Geschäftsführung zu überprüfen. Zur Kontrolle der Geschäftsführung sind zunächst die nach der Satzung hierzu bestimmten Organe (z. B. ein Beirat) und ansonsten die Gesellschafter selbst berufen.
Gemeinsamkeiten bestehen bei Geschäftsführer und Prokuristen bezüglich der allgemeinen Grenzen der Vertretungsmacht, das heißt, die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht sowie das Verbot des Insichgeschäfts im Sinne des § 181 BGB, die gleichermaßen für die Prokura als auch für den Geschäftsführer gelten.
Soll der Prokurist vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit werden, muss dies ins Handelsregister eingetragen werden. Für den Geschäftsführer gilt das Verbot des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung nur dann nicht, wenn zuvor eine entsprechende Satzungsregelung erfolgt ist; ein einfacher Gesellschafterbeschluss der Gesellschafterversammlung reicht nicht aus.
Die Bestellung und Abberufung von Prokuristen im Außenverhältnis ist Sache der Geschäftsführer als den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft (§ 48 Abs. 1 HGB), obwohl dazu im Innenverhältnis ein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist (§ 46 Nr. 7 GmbHG).
Auch beim Prokuristen ist zu unterscheiden zwischen dem diesen im Außenverhältnis eingeräumten Umfang der Vertretungsbefugnis (§ 49 HGB) und dem relativ frei ausgestalteten Innenverhältnis. Die Prokura ist im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkbar. Etwaige Beschränkungen wirken somit nur im Innenverhältnis, können hier allerdings gegen den Prokuristen einen Schadensersatzanspruch aus Pflichtverletzung gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB begründen.
Aus der Abgabeordnung (AO) haftet der Prokurist schließlich nach § 35 AO, wenn er Verfügungsberechtigung hatte – aber auch nur, soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. Hat der Geschäftsführer das Konto schon „abgeräumt“, dann ist der Prokurist tatsächlich nicht in der Lage zu zahlen. Sobald aber Geld auf dem Konto ist, muss er seine Möglichkeit zur Zahlung der Steuern nutzen, sonst ist er in der Haftung. Folglich sind die Pflichten des Geschäftsführers aus § 34 Abs. 1 AO vorrangig und weitgehender.