Bei der Gründung einer GmbH & Co. KG wird immer wieder bedauert, dass das Stammkapital der Komplementär-GmbH als „totes Kapital“ auf dem GmbH-Konto herumliege, während es doch eigentlich die GmbH & Co. KG benötige, um ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen. Was liegt näher, als dass die GmbH „ihrer“ GmbH & Co. KG ein Darlehen gewährt? So wird es dann Gründern auch häufig von Steuerberater- oder Unternehmensberaterseite empfohlen.
Die klassische Gestaltung
Man gründet also eine GmbH, zahlt das Stammkapital von 25.000 Euro ein und macht die GmbH zur Komplementärin einer GmbH & Co. KG, an der man selbst als Kommanditist beteiligt ist („man“ steht in diesem Fall für einen oder mehrere Gesellschafter; dies ist für die vorliegende Gestaltung wie Rechtsfrage unerheblich). Sodann gewährt die GmbH der GmbH & Co. KG ein Darlehen in Höhe des Stammkapitals (oder darunter).
Der BGH hatte dieser Gestaltung allgemein eigentlich schon im Jahr 2002 (BGH, 02.12.2002 – II ZR 101/02), und nochmals ausdrücklich bezüglich der GmbH & Co. KG im Jahr 2007 den Garaus gemacht (BGH, 10.12.2007- II ZR 180/06). Er entschied, dass der GmbH-Gesellschafter seine Einlage in die GmbH nicht erbracht habe und daher in dieser Höhe weiterhin der GmbH hafte, wenn die GmbH diese Einlage sofort für eine Darlehensgewährung an den Gesellschafter oder eben an die GmbH & Co. KG verwende.
Nach der Reformierung des GmbH-Rechts im Jahr 2008 wurde zum Teil ausgerufen, nun sei alles in Ordnung, und man könne wieder wunschgemäß gestalten; dies würde der neue § 19 Abs. 5 GmbH-Gesetz erlauben. Voraussetzung dafür sei im wesentlichen nur, dass das Darlehen verzinslich ausgestaltet sei.
Tatsächlich ist das klassische Modell allerdings nach wie vor nicht gefahrlos für die Gesellschafter umzusetzen. Das OLG Schleswig , 9.5.2012 – 2 W 37/12 (rechtskräftig), entschied zwar, dass es denkbar sei, dass das Stammkapital der GmbH als Darlehen an die GmbH weitergereicht werde. Voraussetzung dafür sei aber:
- Die Darlehensgewährung muss bei der Gründung dem Handelsregister angezeigt werden;
- Das Darlehen muss jederzeit ohne Kündigung zur Rückzahlung fällig sein oder jederzeit bedingungslos fristlos gekündigt werden können;
- Das Handelsregister muss vor der Eintragung der GmbH prüfen können, ob der Rückzahlungsanspruch gegenüber der GmbH & Co. KG werthaltig sei. Hierbei muss es feststellen, ob der Rückgewähranspruch im Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens als vollwertig bzw. ein Forderungsausfall unwahrscheinlich erscheint.
Daran scheiterte es im entschiedenen Fall dann. Wie soll eine gerade gegründete GmbH & Co. KG nachweisen können, dass sie zu den Zeitpunkten der Darlehensvereinbarung, der Handelsregistereintragung und der Darlehensauszahlung wirtschaftlich zur jederzeitigen Darlehensrückzahlung in der Lage sein wird? Im Regelfall wird das Darlehen ja gerade zum Zweck gewährt, dass die KG damit ihren Geschäftsbetrieb finanziert – und dann ist das Geld eben weg, und steht für eine sofortige Rückzahlung gerade nicht zur Verfügung.
Im vom OLG Schleswig entschiedenen Fall sollte dagegen ein Grundstückskauf mit den Darlehensmitteln finanziert werden – aber auch dies ließ das Gericht nicht ausreichen. Die GmbH wurde somit nicht ins Handelsregister eingetragen.
Aus Beratersicht macht es daher wenig Sinn, Gründern diesen Weg zu empfehlen.
Ausweichmodell „Schamfrist“
Mir fiel kürzlich im Jahresabschluss einer 2013 gegründeten GmbH auf, dass sie im Jahr 2014 ihrer GmbH & Co. KG ein Darlehen gewährte. Hier besteht natürlich die Vermutung, dass bei der Gründung von Beraterseite der Tipp gegeben wurde, eine „Schamfrist“ einzuhalten, und das Darlehen zwischen GmbH und ihrer GmbH & Co. KG beispielsweise erst ein Jahr nach Gründung zu vereinbaren und auszuzahlen. Bei der Gründung wurde dieses Darlehen natürlich gegenüber dem Handelsregister nicht angegeben, schließlich war es offiziell noch nicht vereinbart.
Das Einhalten der „Schamfrist“ würde die Gründer natürlich nicht davor retten, dass sie ihre Einlage nochmals erbringen müssten, falls diese Vorgehensweise zwischen den Gesellschaftern nachweislich bereits bei der Gründung verabredet wurde, und sei es auch nur mündlich. Dann würden die oben dargestellten Grundsätze zum „Klassiker“ gelten – und die Gründer hätten noch dazu bei der Gründung nicht die notwendigen Angaben gemacht, was strafbar wäre.
Gehen wir also zu ihren Gunsten einmal davon aus, dass hier die Gründer sich nicht schon bei der Gründung verabredet hätten, sondern tatsächlich erst in 2014 die Idee entstand, den Kapitalschatz bei der GmbH nunmehr – ein Jahr nach der Gründung – doch noch zu heben. Gründungstechnisch wären also die Vorschriften eingehalten. Zwischenergebnis also – immerhin – die Einlagen sind durch die Gesellschafter ordnungsgemäß erbracht.
Erfolgreiche Schatzsuche? Darf der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH also ohne weiteres ein solches Darlehen gewähren und auszahlen? Bilanziell sah es in meinem Beispielsfall so aus, dass die GmbH bei einem Eigenkapital von 27.000 Euro (25.000 Euro Stammkapital zzgl. 2.000 Euro Gewinnvortrag aus 2013) ein Darlehen von 32.000 Euro gewährte; das Bankguthaben reichte dazu aus. Wenn man davon ausgeht, dass das Darlehen werthaltig ist, ändert sich am Eigenkapital rechnerisch ja nichts. Fiele das Darlehen aus oder entstünde zumindest erheblicher Wertberichtigungsbedarf, würde die GmbH aber natürlich rechnerisch unterkapitalisiert.
Im vorliegenden Fall erfreut sich die GmbH & Co. KG bester Gesundheit und erwirtschaftet Gewinne – ist dann also alles in Ordnung?
Der Teufel der Darlehensgewährung steckt im Detail
Kurzfassung für Ergebnisorientierte
Hier kommt § 30 Abs. 1 GmbH-Gesetz ins Spiel:
„Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die … durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind.“
Wird gegen § 30 GmbH-Gesetz verstoßen, folgt daraus eine Rückzahlungspflicht, d.h. die GmbH & Co. KG muss das Darlehen sofort an die GmbH erstatten. Kann sie dies nicht, haften ihre Gesellschafter, die wiederum einen Schadenersatzanspruch gegen die Geschäftsführer haben, die das Darlehen ausgezahlt haben. Dieser Anspruch ist dann natürlich besonders für Gesellschafter relevant, die nicht zugleich Geschäftsführer sind.
Die Einzelheiten sind kompliziert. Um es bildhaft zu machen: Die Ausführungen, unter welchen Umständen ein Geschäftsführer mit der Auszahlung eines Darlehens gegen § 30 GmbH-Gesetz verstößt, umfassen in meinem großen GmbH-Kommentar zu § 30 GmbH-Gesetz sechs Seiten und sind gespickt mit Literatur- und Rechtsprechungshinweisen.
Wer es nicht genauer wissen möchte, sollte sich also möglicherweise damit zufrieden geben, dass alle Beteiligten sicherer damit fahren, wenn das Kapital bei der GmbH bleibt und nicht in die GmbH & Co. KG weiterwandert. Oder um die Frage von oben zu beantworten: Nein, es ist nicht in Ordnung, ohne weitere Prüfung das Darlehen an die GmbH & Co. KG auszuzahlen, und zwar unter Umständen nicht einmal dann, wenn die GmbH & Co. KG momentan liquide genug scheint, um das Darlehen zurückzuzahlen.
Langfassung für Detailbegeisterte
Wenn ich als Anwältin z.B. den og. Gesellschafter vertrete, der gem. § 31 GmbH persönlich haftet, weil die GmbH & Co. KG, z.B. wegen Insolvenz, das Darlehen nicht an die GmbH zurückzahlen kann, muss ich es natürlich rechtlich genauer begründen können. Schließlich sollte ich die Geschäftsführer überzeugen können, von so einer Gestaltung die Finger zu lassen. Daher hier auch noch die Langfassung:
Liegt überhaupt ein Fall von § 30 GmbH vor, wenn die GmbH ihrer GmbH & Co. KG ein Darlehen gewährt?
Das ist noch einfach. Die Gelehrten sind sich einig, dass die GmbH & Co. KG wie ein Gesellschafter behandelt wird, weil es keinen Unterschied macht, ob die GmbH das Geld zu erst ihren Gesellschaftern gibt, die es dann ihrerseits an die gemeinsame GmbH & Co. KG weiterreichen, oder ob der Geldfluss direkt durch die GmbH an die GmbH & Co. KG erfolgt. Der Anwendungsfall des § 30 GmbH-Gesetz ist also eröffnet.
Wenn die GmbH & Co. KG gesund ist, wieso sollte das Darlehen kritisch sein?
Nun hatte ich ja den Beispielsfall so gebildet, dass die GmbH & Co. KG gesund ist.
Dann müsste man doch davon ausgehen, dass der Gesetzgeber zufrieden ist? § 30 GmbH-Gesetz setzt doch nur voraus, dass es einen „vollwertigen Rückgewähranspruch“ gibt. Wenn die GmbH nur ihre Schuldner austauscht – also bisher Anspruch gegenüber der Bank, nunmehr gegenüber der GmbH & Co.KG, wo soll hier das Problem sein, wenn die GmbH & Co. KG liquide ist?
Wenn ich mir die Kommentierung und die Rechtsprechung so anschaue, würde ich sagen: Das von den Kaufleuten erwünschte Ergebnis – Verschiebung der Liquidität in die Gesellschaft, die das Geld zum Wirtschaften verwenden kann – ist den Juristen höchst suspekt und wird daher mit komplizierten Begründungskonstrukten (Jura am Hochreck) abgelehnt. Im einzelnen wird hier nach folgenden Kriterien geprüft:
- Erhält die GmbH für ihre Darlehensauszahlung einen nominell vollständigen Rückzahlungsanspruch (übersetzt: 1 Euro Darlehensauszahlung an die GmbH & Co. KG = 1 Euro Darlehensrückzahlungsanspruch der GmbH)?
- Ist der Darlehensrückzahlungsanspruch der GmbH vollwertig? Wird er – nach der wirtschaftlichen Situation der GmbH & Co. KG voraussichtlich vollständig und pünktlich zurückgezahlt werden können? Der BGH verlangt nicht mehr, dass die Rückzahlung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zurückfließen kann. Theoretisch schön. Beurteilt wird diese Frage allerdings natürlich – wenn es um Regress-Ansprüche gegenüber dem Geschäftsführer geht – immer erst dann, wenn die GmbH & Co. KG insolvent ist. Da dann alle Beteiligten klüger sind, liegt es ziemlich nahe, dass man meint, dass der Geschäftsführer die Schieflage doch früher hätte erkennen können.
- Die Leistungsfähigkeit der GmbH & Co. KG ist nicht nur in Bezug auf das einzelne Darlehen zu betrachten, sondern auf die Gesamtsituation. D.h. wenn die GmbH & Co. KG zwar das konkrete Darlehen zurückzahlen könnte, aber ihre weitere Verbindlichkeiten dann nicht mehr bedienen kann, ist natürlich keine Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs gegeben. Zu betrachten ist also die Gesamtverschuldungssituation der GmbH & Co. KG.
- Dasselbe gilt, wenn die GmbH der GmbH & Co. KG mehrere Darlehen gibt. Selbst wenn die ersten vielleicht noch in Ordnung waren, muss für jedes der Darlehen geprüft werden, ob das nach wie vor so ist, wenn weitere Darlehensmittel ausgereicht werden (sog. „Klumpenrisiko“).
- Anders als in § 19 Abs. 5 GmbH wird immerhin hier nicht gefordert, dass das Darlehen jederzeit sofort zurückgefordert werden kann. Eine sehr lange Laufzeit ohne jegliche Tilgungsvereinbarung dürfte allerdings kritisch zu sehen sein.
- Dass eine Besicherung des Darlehens hilft, wenn es darum geht, die Werthaltigkeit des Darlehensanspruchs nachzuweisen, leuchtet ein, allerdings nur, wenn die Sicherheit auch tatsächlich verwertbar ist, und zwar zügig. Andernfalls tauscht die GmbH & Co. KG (oder der dahinterstehende Kommanditist) eine schlecht verwertbare Sicherheit gegen eine Geldzahlung um, und dies widerspricht wiederum der „Gleichwertigkeit“ des Austauschs.
- Manche Autoren halten eine Verzinsung des Darlehens für nützlich. Diese erhöhe zwar nicht die Verwertbarkeit des Rückzahlungsanspruchs. Wenn aber bei langer Darlehensdauer kein Zins geschuldet sei, erhalte die Gesellschaft doch mit der Endrückzahlung weniger zurück als sie anfänglich hergegeben habe, weil man eigentlich ihre Forderung von vornherein abzinsen müsse.
- Überlegt wird auch, dass das Darlehen ingesamt einem Drittvergleich stand halten können müsse, also sowohl von der Laufzeit, Besicherung und Verzinsung banküblich sein müsse, weil andernfalls beim Schuldnertausch Bank <> GmbH & Co. KG die Gleichwertigkeit beeinträchtigt sei.
- Und auch nicht zu verachten: Der Geschäftsführer der GmbH muss sich fortlaufend darüber informieren, ob die Werthaltigkeit der GmbH-Forderung auch erhalten bleibt. Da er die Geschäfte der GmbH & Co. KG führt, weiß er natürlich bescheid, wenn sich die Lage der GmbH & Co. KG eintrübt. Je nachdem, welche Tendenz sich abzeichnet, müsste er ggf. für die GmbH das Darlehen gegenüber der GmbH & Co. KG wegen verschlechterer Vermögensverhältnisse kündigen oder jedenfalls ein auslaufendes Darlehen nicht weiter verlängern, sondern zurückfordern. Damit bringt sich der Geschäftsführer selbst in eine Klemme: Für die übrigen Geldgeber der GmbH & Co. KG wäre eine Darlehensrückforderung in schwierigen Zeiten sicherlich ein Signal, das sie so werten würden, dass die Situation noch schlimmer ist als für sie erkennbar. Andererseits haftet der Geschäftsführer ja gem. § 31 GmbH-Gesetz ggf. persönlich, wenn er nicht kündigt.
Fazit
Theoretisch ist es denkbar, dass die aktuelle Lage in einer GmbH & Co. KG es erlaubt, dass diese ein Darlehen ihrer GmbH erhält, wenn dieses eine angemessene Laufzeit nebst üblicher Verzinsung aufweist und am besten auch noch ordentlich besichert ist. Wenn die GmbH & Co. KG sich allerdings so ein Darlehen leisten kann, holt sie es sich besser bei einer Bank – da laufen nämlich weder die Gesellschafter noch die Geschäftsführer im Falle einer späteren Insolvenz das Risiko, dass sie für den Darlehensausfall geradestehen müssen. Ich bleibe daher weiterhin dabei, dass sich auch heute noch die GmbH nicht als Kreditgeberin für die GmbH & Co. KG eignet. Die Gesetzesänderung in 2008 hat an dieser Stelle keine wirkliche Verbesserung gebracht; in der Rechtsprechung ist keine Tendenz erkennbar, dass sich daran zeitnah etwas ändern wird.
Nachtrag am 23.09.2016:
Heute kam mir ein Urteil unter, in dem ein Geschäftsführer persönlich zu Schadenersatz verurteilt wurde. Er hatte – vom Steuerberater beraten – die GmbH-Gesellschaftereinlagen seiner GmbH & Co. KG als Darlehen weitergereicht. Auch unter dieser Blickrichtung ist von dieser Gestaltung dringend abzuraten (Landgericht Wiesbaden, 03.05.2013, 1 O 229/12).